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Elefant als Dauerbrenner

Eine Glosse von Heribert Illig

Es ist nie zu spät für eine Würdigung. Wir wollen also würdigen, dass Tobias Mayer im SWR auf den Tag genau nach 1.217 Jahren die Ankunft eines Elefanten in Aachen in einer Rundfunksendung gewürdigt hat.

Sein Eintreffen fand bekanntlich am 20. 7. 802 statt. Dazu durfte sich mit Georg Minkenberg der Leiter der Domschatzkammer in Aachen äußern, nachdem ein Elefant ins Mikrophon getrötet hatte. Minkenberg hütet den Überrest dieses Elefanten in Gestalt eines Olifanten, also dem Signalhorn Karls des Großen, geschnitzt aus dem Stoßzahn dieses Elefanten. Gut, ob es wirklich vom Geschenk Harun ar-Raschids stammt, ist nicht ganz sicher, aber sicher stammt das Horn von einem Elefanten. Die Tierszenen an der Mündung werden als sarazenische Ornamente „um oder nach 1000; oder orientalisch, 11. Jh.“ gesehen, die Beschriftung auf dem Tragegurt ist spätgotisch [Lepie/ Minkenberg, 22]. Das ist dem Schatzkammerführer zu entnehmen, den Minkenberg mitverfasst hat. Das darf er aber nicht in dieser Sendung sagen, sondern nur beisteuern, dass Elefanten ein Hoheitssymbol sind und dem Geschenk eine Gesandtschaft Karls an Harun ar-Raschid, vorausgegangen war. Dann durfte Thomas Bauer als Islamwissenschaftler betonen, dass sich die arabischen Chroniken darüber ausschweigen. Der Schluss liegt auf der Hand: „Also für die arabischen Chronisten scheint das nicht zu den großen Ereignissen in der Amtszeit Harun ar-Raschids gehört zu haben.“ Autor Mayer fügt an: Es ging um „Ungläubige und Barbaren. Im besten Fall kulturlose Gesellen“, denen der Kalif gleichwohl eine Art Schirmherrschaft über die christlichen Pilgerstätten im Heiligen Land übertragen und den extra aus Indien geholten Elefanten beigefügt hätte. Was macht man nicht alles für tumbe Barbaren! Wir erlauben uns, die Wegschilderung für den Elefanten Abul Abbas und seinen Treiber Isaak von Bagdad nach Aachen in Erinnerung zu rufen [Illig 2003, 396 f.]:

„Byzanz versperrt dem Dickhäuter sowohl den Landweg wie den direkten Seeweg ins Frankenreich. Also marschieren Isaak und Abul Abbas fürbass. Von Bagdad geht es den Euphrat entlang, dann biegen sie links ab nach Jerusalem. Von dort ziehen sie ans Meer und in verhaltenem Trab durch den Gaza-Streifen bis zum Nildelta. Leider wissen wir nicht, ob sie die Nilarme durchwaten, durchschwimmen oder die Fähre nehmen. […] Bis Alexandria sind ca. 1.000 km zurückgelegt. Es schließen sich 2.735 Straßenkilometer bis Kairouan südlich von Tunis an [Halm 180]. Im für Aachen nächsten Hafen, vermutlich Karthago, fAachener Zeitungand sich kein passender Elefantentransporter. Was nun?

»Isaak saß fest. Doch er wusste sich zu helfen: Er schickte eine Nachricht an Karl. Der ließ eine Spezialflotte bauen und die Gruppe mitsamt Elefant in Nordafrika abholen« [Delonge].

Welch‘ Glück, wenn ein Karl für einen sorgt, der bis dato nur kleine, über Land ziehbare Flusskähne benutzt hat, aber natürlich auch Pläne für Spezialfrachtschiffe parat hält. Der Rest war einfach. Bei La Spezia, noch heute in Kriegshafen, erreicht man ungefährdet das fränkische Ligurien.

»Über Genua und Pavia ging es zum Überwintern nach Vercelli und von dort wohl über den Großen St. Bernhard über die Alpen [400 km]. Bis Aachen war es dann nur noch ein Kinderspiel« [ebd.] von 550 km, der Historiker Frank Pohle urteilt: „nur noch Formsache“ [Wahnemühl]. Insgesamt also keine 5.000 km Fußmarsch. Hat übrigens niemand im Frankenreich gewusst, dass auch Marseille zum Reich gehörte? Von dort wäre es im Rhonetal nur mählich aufwärts gegangen, dann weiter entlang der Saône und über die niedrige Wasserscheide ins Tal der Maas. So hätte sich der indische Dickhäuter die Alpen, den Großen St. Bernhard (immerhin 2.472 m hoch), Schnee, dünne Luft und Winterschlaf ersparen können. Aber niemand in Karls Umgebung scheute Strapazen, zumal die Franken Angst vor Piraten hatten, die ausgerechnet die Route nach Marseille ungleich stärker terrorisierten als die Route nach La Spezia. Auch das hat unermüdliche Forschung in Gestalt von Pohle enthüllt [Wahnemühl].“

Das Schöne an Mythen und Legenden: Niemand fragt nach ihrem Wahrheitsgehalt, schon gar nicht nach mehr als einem Jahrtausend. Vielmehr erweist heutige Wissenschaft dem Mythos die Ehre, ihm mit ihren vorläufigen Wahrheiten Dauer zu schenken.

Quellen

Delonge, Hermann-Josef (2003): Realpolitik zwischen Aachen und Bagdad; Aachener Zeitung, 07. 06.

Halm, Heinz (1991): Das Reich des Mahdi; Beck, München

Illig, Heribert (2003): Dickhäuter und Schweigegeld ˑ Phantomzeitdebatte? Zeitensprünge, 15 (2) 396-405

Lepie, Herta / Minkenberg, Georg (Hgg. 1995): Die Schatzkammer des Aachener Domes; Domkapitel Aachen, Aachen

Mayer, Tobias (2019): Der Kalif von Bagdad verschenkt einen Elefanten; SWR2, 20. 07.

Wahnemühl, Marc (2003): Seeräuber im Mittelmeer. Ex Oriente: Karte über Isaaks Reiseweg erstellt; Aachener Zeitung, 12. 07.