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Kalendermutmaßungen Ein Hinweis auf Hannes E. Schlag: „Ein Tag zuviel“

von Heribert Illig

Der nahe Würzburg lebende Ingenieur Hannes E. Schlag beschäftigte sich nach Verkauf seines Unternehmens intensiv mit dem Kalender. 1998 verfasste er ein 350-seitiges Werk (23,5 x 15,5 cm), das er 2008 überarbeitet vorlegte und auch ins Netz stellte. Es geht im Zusammenhang mit dem erfundenen Mittelalter um die durchgehende Zählung der Wochentage und vermeintliche Kalenderreformen, doch vorab eine Kurio­sität.

Kaum lösbar bleibt die Aufgabe aller Kalendermacher, Sonnenjahr (365,2425 d) und Mondjahr (354,3671 d) nahtlos aufeinander abzustimmen. Dabei ist dies ganz einfach mit Hilfe einer irrationalen und einer transzendenten Zahl: durch die Zahl des Goldenen Schnitts (g = 1,6180) und die Kreiszahl π (3,1416).

Sonnenjahr : Mondjahr = 1,030 = 2 x ( g : π). [Schlag 1998, 48]

Ausgangspunkt: Schlag bezog sich in Sachen möglicher Kalenderkorrektur auf Robert Sträuli († 1997), der 1991 den Todestag Jesu herangezogen und festgestellt hatte, dass er bei heutigen Rückrechnungen auf einen Dienstag, nicht auf Freitag gefallen wäre. Dabei ging er vom Jahr +28 als Todesjahr und vom Geburtsjahr -7 aus, wobei er sich an der großen Konjunktion von Jupiter und Saturn im November -7 orientierte. So schlug er den 1. 12. -7 als Jesu Geburtstag und den 27. 4. 28 als Sterbetag vor [Schlag 1998, 89, 87]. Das sind plausible Annahmen, jedoch nur Annahmen! Es handelt sich also um keine echte Kalenderprüfung, woran auch weitere derartige Diskrepanzen bei anderen NT-Texten nichts ändern [vgl. Schlag 1998, 88 f.]. Trotzdem postulierte Sträuli eine sonst nicht bekannte Kalenderreform, die Konstantin d. Gr. im Jahr 321 dekretiert hätte.

„Zu einem nicht näher bekannten Datum des Jahre 321 vertauschte er den Tag des römischen Reichsgottes Jupiter (Jovis dies), ursprünglich dem Donnerstag entsprechend (man vergleiche »jeudi« im Französischen und »giovedi« im Italienischen), in den »Tag des Herrn«, (feria prima), den Sonntag. Lange Zeit war bei der Rückrechnung von Daten dieser Umstand nicht berücksichtigt worden. Sämtliche Wochentagsdaten vor 321 v. Chr. verschieben sich um drei Tage. Durch diese Berichtigung fallen zum Beispiel der Geburtstag und der Todestag Christi korrekterweise auf einen Freitag, wie dies der Überlieferung entspricht“ [Sträuli lt. Schlag 1998, 156; 2008, 162].

Daraus schloss Sträuli, und Schlag stimmte zu:

„»Somit ergeben die gängigen Umrechnungstabellen und Computerprogramme bezüglich der Wochentage nur dann richtige Ergebnisse, wenn man zum errechneten Wochentag drei Tage hinzufügt.« [Schlag 1998, 88; 2008, 93]

Diesem Satz hat Schlag 2008 [93] einen Satz angefügt:

„Diese Aussage Sträulis ist heftig umstritten. Nähere Erläuterungen finden sich im Kapitel über den jüdischen Kalender“.

Die behauptete Korrektur von Computerprogrammen wäre gewichtig, ließe sie sich doch mit meinem Befund kombinieren, dass der Abstand zwischen Cäsars und Gregors Kalenderreform nicht 13, sondern nur 10 Tage ausmacht. Die zugehörige Zitation ist auch in der Neuauflage mangelhaft, da die genannte Buchquelle – Sträuli (1991): „Herkunft und Bedeutung unserer Wochentage“ – nicht existiert. Gemeint ist vielmehr ein ähnlich überschriebener Zeitschriftenartikel desselben Autors [1991]. Diesen Artikel hat ein anonym bleibender Autor der Gruppe G*org (die Abkürzung steht für Glaube.org) präzise kritisiert und von ihm wenig mehr als diesen Satz akzeptiert:

„Allmählich traten die Planeten als Zeitherrscher immer mehr hervor: Es vollzog sich, offiziell wohl seit dem zweiten Jahrhundert nach Christus, der Übergang zur Planetenwoche mit ihren sieben Tagen“.

Dem folgen Widerlegungen:

„Sträuli irrt sich, wenn er behauptet, dass Konstantin 321 n. Chr. die siebentägige Woche eingeführt habe [11]. Sie war bereits über hundert Jahre zuvor allgemein bekannt.“

„Es bleibt unverständlich, wie Sträuli zum Schluss kommt, dass der Kaiser aus dem »Tag des Herrn« einen Donnerstag machte. Konstantins Nähe zum »Sonnengott« wird durch seinen Erlass 321 n. Chr. (Codex Justinianus) mehr als deutlich. Warum sollte er ausgerechnet den Tag der Sonne auf den Tag Jupiters verlegen?“ [G*org]

Aus dem Jahr 321 sind mehrere Dekrete Konstantins d. Gr. bekannt. Im Dezember unterzeichnete er das gerade heuer gefeierte Schriftstück, wonach in den nördlichen Provinzstädten Juden in den Stadtrat berufen werden konnten. Daraus leitet sich ab, dass in diesem Gebiet seit mindestens 1.700 Jahren Juden ansässig waren (Festjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“). Die älteste Abschrift dieses Dekrets wird dem 6. Jh. zugerechnet.

Am 3. März bestimmte Konstantin als gesetzlichen Ruhetag im Römischen Reich den Sonntag, den heiligen Tag des Christentums und des Mithraskultes, wobei Feldarbeit erlaubt blieb. „Ruhen sollen am Tag der Sonne alle Richter und das Volk in den Städten und die Arbeit in Künsten und Handwerk.“

Am 3. Juli wurde es durch ein weiteres Dekret dahingehend ergänzt: „Gestattet blieb nur die Freilassung von Sklaven und die bäuerliche Arbeit auf den Feldern“ [Brandt, 83; Heimbach].

Nicht unerwähnt bleibe ein weiteres Dekret von 321: Das „der christlichen Kirche konzedierte kaiserliche Vorrecht, Erbschaften entgegenzunehmen, ermöglichte den Aufbau eines kirchlichen Ver­mögens“ [Brandt, 84].

Es kann also keine Rede davon sein, dass der Kaiser per Dekret den Kalender vom Donnerstag auf Sonntag verrückt habe. Doch Sträuli – und ebenso Schlag in seiner Neuauflage [2008, 162] – beziehen sich obendrein auf eine Aussage des Eusebius von Cäsarea.

„Zum Beweis dessen sei ein Beleg aus der Schrift des Eusebios von Caesarea über die Märtyrer von Palästina angeführt. Er erwähnt in dieser Schrift den Tag der Hinrichtung des Apphianos, der nach langen Foltern im Mittelmeer ertränkt wurde. Als Datum gibt der Augenzeuge Euseb Freitag, den 2. April 306 an. Der französische Herausgeber Gustave Bardy bemerkt dazu, das könne nicht stimmen, da der 2. April 306 ein Dienstag gewesen sei. Allein, Euseb überliefert das richtige Datum; wir müssen zu dem Dienstag lediglich die drei Wochentage hinzufügen, die Konstantin bei seinem Kalenderbruch unterschlagen hat“ [Schlag, nur 2008, 162].

Auch hier hat G*org sorgfältiger hingesehen und findet bei Eusebius von Caesarea [† 339: Über die Märtyrer in Palästina; zur Christenverfolgung unter Diokletian] zwei weitere Hinweise auf Wochentage und kann unterschiedliche Verschiebungen gegenüber dem heutigen Kalender zeigen:

Freitag 02. 04. 306 [Eusebius IV, 15] statt Dienstag: um 3 Tage;
Freitag 20. 11. 306 [E. VI, 1] statt Mittwoch: um 2 Tage;
Sonntag 02. 04. 307 [E. VII, 1] statt Mittwoch: um 4 Tage [G*org].

Es könnte sich hier allerdings um Angaben handeln, die wegen unterschiedlicher Tagesbeginndefinitionen (jüdisch: Sonnenuntergang; christlich und römisch: Mitternacht) nicht von den 3 Tagen abweichen. Der Autor von G*org geht darauf nicht ein und folgert:

„Der interessante Hinweis auf den Bericht des Eusebios von Caesarea (s. oben) entpuppt sich nach näherer Untersuchung als unbrauchbar. Damit entbehrt Sträulis Behauptung zur Wochentagreform jeglicher Grundlage.“ [G*org]

Autor Schlag hat zwar bei der zweiten Auflage die falsche Quellenangabe zu Sträuli nicht berichtigt, ist aber skeptischer ihm gegenüber geworden:

„Diese Feststellung Sträulis ist jedoch umstritten und mit Vorsicht zu genießen. Die Argumente der Gegner dieser Theorie sind allerdings nicht stichhaltiger als die Sträulis. Eine gewisse Logik kann seiner Theorie nicht abgesprochen werden.“ [Schlag, nur 2008, 163]

„Diese Regelung, eigentlich eine ungeheure Unterschiebung der heidnischen Sonnenverehrung in den christlichen Glauben, fand Eingang in das von Konstantin einberufene Konzil von Nizäa im Jahre 325.“ [Schlag 1998, 156; 2008, 163]

Es mutet seltsam an, dass um 3 Kalendertage gerungen wird und dazu ein Konstantin-Dekret falsch interpretiert werden muss. Es hätte etwas ganz anderes auf der Hand gelegen: der direkte Bezug zum Konzil von Nikäa. Denn für dieses Konzil wird ja von Mediävisten und Kalenderkundigen gleichermaßen unterstellt, dass damals im Jahr 325 eine erste Kalenderreform stattgefunden habe. Sie ist zwar von niemandem berichtet worden, musste aber erfunden werden, um das Überspringen um 10 und nicht um 13 Tage unter Papst Gregor XIII. zu motivieren (so wäre der aufgelaufene Fehler von Cäsars Kalender zwischen -45 und +325 ‚stillschweigend‘ korrigiert worden [Illig 2020]). Schlag hatte noch 1998 geschrieben,

„daß im 16. Jahrhundert, bis zur Renaissance, zehn Tage fehlten. So handhabte es jedenfalls Papst Gregor XIII. und niemand rechnete offensichtlich nach. Bis jemand kam und feststellte, daß in Wirklichkeit 13 Tage fehlten. Diese Feststellung führte zu dem abenteuerlichen Schluß: Die 10 Tage stimmen nur, wenn 300 Jahre des Mittelalter gestrichen werden. […] Wer hätte das gedacht? Die Rechnung stimmt! Bei der Gregorianischen Reform fehlten nicht zehn, sondern dreizehn Tage! Ob die Schlußfolgerung von Heribert Illig – das Mittelalter sei weitgehend erfunden – auch stimmt, sollen berufenere Historiker prüfen“ [Schlag 1998, 107].

Zehn Jahre später übernahm Schlag die offiziell vertretene Meinung, man käme

„auf 9,81 Tage. (Die Rechnung von Heribert Illig in seinem Buch: ‚Das erfundene Mittelalter‘ kommt irrtümlich auf 12,69 Tage, weil hier die Zeitspanne bei der Julianischen Kalenderreform 46 v. Chr. beginnt – statt beim Konzil von Nizäa.)“ [Schlag 2008, 114]

Natürlich ist immer wieder nachgerechnet und festgestellt worden, dass Gregors Korrektur zu kurz ausgefallen ist; deshalb müsste ja das Konzil klandestin eine Kalenderkorrektur durchgeführt haben. Entgangen ist Schlag, dass er mit seiner vermeintlichen konstantinischen Kalenderreform Argumente für meine These bereitgestellt, doch die These selbst als Irrtum bezeichnet hat. Es geht aber weniger um Schlags Kalendersicht als um den Tadel von G*org an Sträuli: Er bezieht sich nicht zuletzt auf den schwierigen Nachweis, ob die Reihe der Wochentage jemals durchbrochen worden ist.

„Anstatt aber einzusehen, dass sich antike jüdische Zeitangaben nicht auf den Tag genau festlegen lassen, unterstellt er Konstantin eine Kalenderreform – für die es jedoch keinerlei historische Quellen gibt“ [G*org].

Gleichwohl unterstellt die herrschende Lehre demselben Kaiser eine Kalenderreform auf dem Konzil von Nikäa, für die es keinerlei historischen Quellen gibt! Tatsächlich erledigen sich beide rein postulierte, aus mediävistischer Not geborene Kalenderreformen; es braucht sie auch nicht, wenn das erfundene Mittelalter in Ansatz gebracht wird. So bleibt es beim Vordrehen der Uhr, zumal Schlag [1998, 69] auch Udo Scholz [259] (leider wiederum mit einem falschen Titel) zitiert:

„All die besprochene Kalenderliteratur der Antike ist wertlos. Das vorgegaukelte Detailwesen und die vertretenen Zeitansätze sind reine Phantasieprodukte eines späten Versuchs, die fehlende Geschichtsüberlieferung durch Rekonstruktion zu ersetzen.“

Das ist seit Alexander Demandt [1970] bekannt. Bei berichtigter Chronologie werden sich etliche der antiken Zeitangaben bestätigen.

Literatur

Brandt, Hartwin (²2007): Konstantin der Große ˑ Der erste christliche Kaiser ˑ Eine Biographie; Beck, München (12006)

Demandt, Alexander (1970): Verformungstendenzen in der Überlieferung antiker Sonnen- und Mondfinsternisse (Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz); Steiner, Wiesbaden

G*org-Team (o.J.): Stellungnahme zum Artikel ‚Herkunft und Bedeutung unseres Kalenders‘ und zur Behauptung, dass sich der Wochentagzyklus 321 n. Chr. geändert habe; https://www.glaube.org/wb/pages/hauptartikel/christliche-lehren/sabbat-oder-sonntag/sabbat—zusatzmaterial/gab-es-eine-kalenderreform.php [1]

Heimbach, Marfa (2021): 3. Juli 321 – Zweites Edikt Kaiser Konstantins zur Sonntagsruhe. Bzw: Kaiser Konstantin konkretisiert sein Sonntagsdekret (am 03. 07. 321); WDR, 03. 07.

Illig, Heribert (²2020): Gregors Kalenderreform 1582 ˑ Cäsar, Nikäa und zwei päpstliche Notlügen; Mantis, Gräfelfing (12019)

Schlag, Hannes E. (2008): Ein Tag zuviel ˑ Aus der Geschichte des Kalenders; Katz, Gernsbach. Im Internet unter schlag.name/ETZ.pdf

– (1998): Ein Tag zuviel ˑ Aus der Geschichte des Kalenders; Königshausen & Neumann, Würzburg

Scholz, Udo (1990): Zur Erforschung des altrömischen Kalenders; in Orientalia; Rom, 59 (2) 255-264

Sträuli, Robert (1991): Herkunft und Bedeutung unseres Kalenders; in Museion 2000, Zürich, 1 (4) 3-24.