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China verlängert seine Geschichte

Eine Spotttirade von Heribert Illig

„Die Vergangenheit ist der Schatten, den die Gegenwart wirft“ [Friedell 1936].

Selbst in historischen Maßstäben hat diese Reaktion zu lange gedauert. Vor über 20 Jahren hat der Russe Anatoli Fomenko, eigentlich Topologe und damit Mathematikprofessor, behauptet, die chinesische Geschichte samt ihren altehrwürdigen Kunstwerken und der Schrift seien eine Erfindung jesuitischer Missionare und damit kaum älter als 400 Jahre [Fomenko].

Er hat damit gezeigt, dass die Historie nur Knetmasse in den Händen der Politiker ist. Erster Schritt: Geschichtsschreibung mehrt den Ruhm des eigenen Landes, indem sie die Vergangenheit politischer Kontrahenten löscht! Mittlerweile ist ihm zufolge Jesus auf der Krim geboren, wohl als Russe, und zwar im 11. Jahrhundert nach Christus. Das ist der zweite Schritt: Die eigene Geschichte zu verlängern und um wesentliche Ereignisse anzureichern!

Das machen ihm nun die Chinesen nach. Bislang wusste jeder Heranwachsende, dass China vier große Erfindungen gemacht hat: Papier, Kompass, Schießpulver und Buchdruck, außerdem die Schubkarre. Mittlerweile hat die chinesische Regierung ein Team von 100 Wissenschaftlern vereint, um endlich die vollständige Liste aller relevanten Erfindungen Chinas zusammenstellen. 88 ist die neue Zahl. Achtundachtzig Erfindungen wie Fußball, Golf, Pizza und Pasta.

„Ebenso habe man […] den Hund erfunden. Das erste domestizierte Tier sei schon vor 16 000 Jahren durch China spaziert. Möglicherweise sogar schon vor 33 000 Jahren.“ [Deuber]

Wir lernen daraus: Geschichte ist beliebig formbar. Sie liefert jederzeit die Suprematie eines Volkes oder eines Staates, egal, was alle anderen zu glauben wissen. So konnte Fomenko behaupten, die Länder Westeuropas wären Jahrhunderte lang Moskau gegenüber tributpflichtig gewesen, so kann nun China behaupten:

„Rom und Athen? Hat es nie gegeben. Die europäische Zivilisation: ein Mythos. Ein Versuch des barbarischen Westens, ein klein bisschen weniger armselig auszusehen – also im Vergleich zu China“ [Deuber].

Wenn ein Land dann auch noch alle Menschen überwachen lässt und zum Beispiel Protokollanten seiner Untaten die Lektüre sperrt, dann wird es bald für alle Faktum sein, dass die beiden wichtigsten Paradiesflüsse nicht Euphrat und Tigris, sondern Jangtsekiang und Huang He (Gelber Fluss) seien – falls der Mythos vom Paradies überhaupt noch erinnert werden darf. Wenn Englisch ein chinesischer Dialekt sei [Deuber], dann erledigt sich nicht nur die indoarische Sprachfamilie, sondern fast alles.

Geradezu rührend anzusehen sind die Versuche, solchen Fälschungen entgegenzutreten. Da ist an Prof. Manfred Bietak zu erinnern, der den Eisbohrkernspezialisten zuliebe die altägyptische Geschichte nicht um ein Jahrhundert verlängerte. Bloß weil ihm dazu die Geschichte fehle [vgl. Illig 2001, 5]. Was für ein Mangel an Phantasie! Hundert Jahre Betriebsamkeit am Nil – das lässt sich problemlos am Schreibtisch schaffen.

Oder – ganz absurd: Die Geschichte des Abendlandes, die Geschichte des Heimatlandes einfach um rund 300 Jahre zu kürzen und nicht zu verlängern [Illig 1992]. Wer so etwas tut, ist wohl schon im Herzen Chinese. Trotzdem wird ihn das zukünftige Regime über Fernwestasien mit Schreibverbot belegen und in Uigurien umerziehen lassen.

Literatur

Deuber, Lea (2019): Wer hat’s erfunden? Forscher behaupten, dass Englisch ein chinesischer Dialekt sei; Süd­deutsche Zeitung, 11. 09., S. 1

Fomenko, Anatoli (1994): Empirico-Statistical Analysis of Narrative Material and its Applications to Historical Dating · 2 Bände; Kluwer, Dortrecht

Friedell, Egon (1936): Kulturgeschichte Ägyptens und des Alten Orients; Beck, München (Ausgabe ab 1963, S. 32)

Illig, Heribert (1992): Karl der Fiktive, genannt Karl der Große · Als Herrscher zu groß, als Realität zu klein; Mantis, Gräfelfing

– (2001): Ägypten – neue chronologische Zweifel; Zeitensprünge, 13 (1) 4-13